Videoüberwachung: Chancen und Gefahren der Gesichtserkennung

Die künstliche Intelligenz (KI) der Gesichtserkennungssysteme wird durch intelligente Algorithmen immer präziser. Die Europäische Union (EU) hat im April in einem Verordnungsentwurf neue Regeln zur Nutzung der KI-Technik in der Videoüberwachung aufgestellt.

Gesichtserkennung
Pixabay

Die Europäische Union (EU) will die planvolle Überwachung von Menschen mittels automatisierter Gesichtserkennung gemäss eines Verordnungsentwurfs aus dem April verbieten und Ausnahmen nur noch zulassen, wenn das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Strafverfolgung erforderlich ist. Zu den Mindestvoraussetzungen für eine solche Anwendung gehört nach der Überzeugung der EU-Kommission, dass für die Entwicklung der KI ausschliesslich «neutrale», also nicht diskriminierende, etwa rassistische, Daten genutzt werden, und dass Menschen die Letztkontrolle über Massnahmen, also Rechtseingriffe, behalten.

Mit einer so restriktiven Regelung wird die Nutzbarkeit der biometrischen Zukunftstechnologie erheblich eingeschränkt. Schon im Jahr 2007 hatte das deutsche BKA im Rahmen eines Forschungsprojektes im Mainzer Hauptbahnhof mit Frontalaufnahmen bei Tageslicht Erkennungsleistungen von mehr als 70 Prozent bei einer Falsch­akzeptanzrate (FAR) von 0,4 Prozent erreicht. In einem Pilotprojekt am Bahnhof Berlin Südkreuz wurde 2019 je nach Umfang der Referenzdatenbank eine Trefferrate von über 91 Prozent bei einer FAR von 0,21–0,25 Prozent erzielt.

Gesetzliche Regelung unter Einhaltung der Menschenrechte

Obwohl der deutsche Bundesinnenminister Seehofer zunächst im Bundespolizeigesetz die Möglichkeit der Gesichtserkennung verankern und auf 135 Bahnhöfen sowie 14 Flughäfen solche Systeme installieren lassen wollte, sieht der Entwurf des neuen Bundespolizeigesetzes diese Möglichkeit nicht mehr vor, vor allem weil wegen der festgestellten FAR abgewartet werden soll, bis die Technologie «ausgereift» ist.

Dagegen sieht die Europaabgeordnete der Grünen, Alexandra Geese, darin, dass die EU-Verordnung automatische Gesichtserkennung im öffentlichen Raum nicht gänzlich verbietet, einen «Schlag ins Gesicht der Zivilgesellschaft». Nach einem Bericht des Magazins «Spiegel» hat San Francisco als erste Stadt in den USA den Einsatz von Gesichtserkennung durch Behörden verboten. Auch die Unternehmen Microsoft und Amazon haben nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» vom Juni 2020 angekündigt, die Zusammenarbeit mit der Polizei auszusetzen, bis Gesichtserkennung unter Einhaltung der Menschenrechte gesetzlich geregelt sei.

Ein Recht auf Anonymität sieht weder die Schweizerische Bundesverfassung noch das deutsche Grundgesetz (GG) ausdrücklich vor. Einen Anspruch auf Anonymität als Wesensmerkmal der nach beiden Verfassungen uneinschränkbaren Menschenwürde zu verstehen, würde dieses «Übergrundrecht» unverhältnismässig ausdehnen. Vielmehr ist das Recht auf Anonymität Bestandteil des in Art. 10 Abs. 2 der Schweizerischen Verfassung und Art. 2 Abs. 1 GG festgeschriebenen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das unter den Bedingungen des Art. 36 der Schweizerischen Verfassung und Art. 19 im GG eingeschränkt werden kann. Eine
gesetzliche Regelung zum Zweck der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung ist danach zulässig.

Die KI der Gesichts­erkennungssysteme wird durch lernende Algorithmen immer präziser. Und die Bilddatenbanken wachsen. Das polnische Start-up-Unternehmen Pimeyes hat eine Datenbank mit 900 Millionen gespeicherten Gesichtern aufgebaut, und das chinesische Unternehmen Megvii stellt nach einem Bericht in der Zeitung «Das Parlament» eine Produktplattform für Gesichtserkennung bereit, die laut «Forbes» mehr als 300’000 Unternehmen in 150 Ländern nutzen, um eigene Anwendungen zu entwickeln. Im Hausrechtsbereich setzen immer mehr Unternehmen Gesichtserkennung ein.

So will beispielsweise die Luftfahrtallianz Star Alliance den Boardingspass auf freiwilliger Basis durch Gesichtserkennung ersetzen. Das chinesische Unternehmen Taigusys hat sich sogar auf die Entwicklung von Emotions-Erkennungssoftware spezialisiert und glaubt nach einem kürzlichen Bericht in der FAZ, so gefährliches Verhalten voraussehen und Kriminelle aufspüren zu können. Aber es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass die Gefühlslage einer Person aus ihrem Gesichtsausdruck sicher ablesbar ist.

 

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