Umstrittene Corona-Überwachung

Die Polizeikräfte haben derzeit alle Hände voll zu tun, um allenfalls grössere Personenansammlungen zur Bekämpfung von Covid-19 aufzulösen. Im Aargau arbeitet man deshalb auch mit Videoüberwachung. Das kommt nicht überall gut an.

Videoüberwachung
Hier ein Bild aus Zürich. Im Kanton Aargau will man Personenansammlungen auch mit virtuellen Patrouillen überwachen. Foto: R. Strässle

 

In Ausnahmezeiten schalten die Behörden schon mal den «Turbo» im Kampf gegen das Coronavirus ein. So geschehen im Kanton Aargau, der sich das Recht herausnimmt, verstärkt mit Videoüberwachung zu arbeiten. Gestützt auf die kantonale Sonderverordnung vom 1. April 2020 können deshalb auch optische-elektronische Überwachungsanlagen eingesetzt werden. Konkret heisst es dazu im Abschnitt «Videoüberwachung im öffentlichen Raum»: «Es soll der Polizei erlaubt werden, zur effizienten Erfüllung ihrer Aufgaben temporär die bestehenden bewilligten Videoüberwachungsanlagen des öffentlichen Raums, die über eine Echtzeitüberwachung verfügen, für virtuelle Patrouillen zu nutzen.

Die Polizei soll zudem ohne Bewilligung der Beauftragten für Öffentlichkeit und Datenschutz neue, zusätzliche optisch-elektronische Überwachungsanlagen zur Echtzeitüberwachung einsetzen dürfen. Diese Anlagen sind nach Aufhebung der Massnahmen gemäss Art. 6 und 7c der Covid19-Verordnung 2 zu entfernen.»

Zusätzlich steht in der Sonderverordnung, dass es analog zu bestehenden bewilligten Videoüberwachungsanlagen nicht um eine verdeckte Überwachung handeln solle, sondern um eine offene Überwachung, die präventive Zwecke erfülle und der Polizei rasche und zielgerichtete Einsätze erlaube. Die Überwachung sei daher durch geeignete Massnahmen, beispielsweise Hinweistafeln, erkennbar zu machen.

Welcher Nutzen?

Überwachungsmassnahmen und digitale Hilfsmittel können bei der Bekämpfung des Coronavirus helfen. Amnesty International, die Digitale Gesellschaft und die Stiftung für Konsumentenschutz fordern jedoch, dass die Verhältnismässigkeit bei allen Eingriffen in die Persönlichkeits­rechte gewahrt bleibt, wie die Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung fordern. Schliesslich gelte dieser rechtsstaatliche Grundsatz auch im Ausnahmezustand.

Die drei Organisationen vermissen in der Stellungnahme des Regierungsrats des Kantons Aargau insbesondere eine Begründung, weshalb nebst den bestehenden Massnahmen wie Verbote von Ansammlungen, Polizei-Patrouillen, Bussen und Sperrung von Parkanlagen zusätzlich die Videoüberwachung eingesetzt werden müsse. Die Digitale Gesellschaft weist darauf hin, dass solch «virtuellen Patrouillen» nicht direkt einschreiten könnten und die Videoüberwachung führe in ihrer präventiven Wirkung höchstens dazu, dass sich die Menschen an einem anderen, nicht überwachten Ort treffen würden.

Das öffentliche Leben in Echtzeit zu überwachen, gehe weit über Massnahmen hinaus, mit denen mittels anonymisierter und aggregierter Handy-Standortdaten, Ansammlungen von Personen oder Bewegungsströme erfasst werden könnten, betont die Organisation, die sich für Freiheitsrechte in einer vernetzten Welt einsetzt. Gemäss ihr sind keine speziellen Umstände im Aargau ersichtlich, welche eine solche Massnahme im Vergleich zu anderen Kantonen nötig machen würden. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass die Video-Echtzeitüberwachung auch nach Ende der Pandemie als «normale» Überwachungsmassnahme eingesetzt würde, schreibt die Digitale Gesellschaft. Sie fordert den Regierungsrat auf, diese unverhältnismässige «Massenüberwachung» rückgängig zu machen. (rs)

 

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