Sprachalarmierung – das ändert sich

Für Sprachalarmanlagen und elektroakustische Notfallwarnsysteme kann noch bis im März 2020 auf die Anwendernorm SN EN 60849 verwiesen werden. Danach ändert sich die Situation in der Schweiz.

Sprachalarmierung, Sprachalarmanlagen
In Zukunft dürfen im Brandfall nur noch Sprachalarmanlagen und keine elektroakustischen Notfallwarnsysteme mehr verwendet werden. (© depositphotos, ambrozinio)

 

Ein Gebäude im Ernstfall zu räumen ist kein einfaches Unterfangen, speziell wenn es sich um ein grosses oder komplexes Objekt handelt. Oft werden solche Gebäude unterschiedlich genutzt oder Personen aus den verschiedensten Bereichen halten sich darin auf. Um alle gleichzeitig über eine Gefahrensituation zu informieren, leistet eine Sprachalarmanlage (SAA) beziehungsweise ein elektroakustisches Notfallwarnsystem (ENS) hilfreiche Dienste. Auf diese Weise können Personen geordnet und etappenweise zur Selbstrettung animiert werden und sich aus der Gefahrenzone begeben.

Eine Ernstfallsignalisierung mit herkömmlichen Signalgebern wie zum Beispiel Sirenen ist in der Praxis oft wirkungslos und wird meist ignoriert oder falsch interpretiert. Durch die Alarmierung mit klarer Sprachdurchsage reagieren die Personen schneller und verlassen gezielt das Objekt. Dank einer schnelleren Reaktion im Ereignisfall können Personen vor Schaden bewahrt werden. Zudem kann beispielsweise in einem Brandfall die Feuerwehr schneller mit dem eigentlichen Auftrag, der Eingrenzung und Löschung des Feuers, beginnen. Eine erfolgreiche Selbstrettung stellt also auch für die Schadensbegrenzung eine grundlegende Voraussetzung dar.

Die Situation im Brandfall

Neben diversen Alarmierungsszenarien wie beispielsweise Amok, Bombendrohung oder Chemieunfall kommt die Alarmierungsanforderung im Brandfall wohl am häufigsten vor.

Bezüglich des funktionellen Umfangs gibt es mehrere Möglichkeiten: eine Alarmierung mittels automatischer Auslösung ab Brandmeldeanlage (BMA) oder die manuelle Auslösung, zum Beispiel über einen Taster. Beide Varianten lösen eine Textkonserve aus, welche je nach ­Ereignis Anweisungen über das korrekte Verhalten in mehreren Sprachen enthält. Zudem kann die Feuerwehr in der Regel über eine Feuerwehrsprechstelle direkte und individuelle Anweisungen ins Gebäude senden.

Wird die Sprachalarmanlage automatisch von der Brandmeldeanlage angesteuert, kann neben der automatischen Auslösung des Sicherheitstextes auch der Voralarm, welcher sonst durch Alarmeinheiten der BMA ausgeführt wird, über die Lautsprecher gesendet werden. Der Überwachungsumfang der SAA muss dabei mindestens gleich hoch sein wie derjenige der BMA. Durch diese Synergien können in der Praxis Kosten eingespart werden.

In jedem Fall ist es neben dem klar definierten Funktionsumfang des Systems entscheidend, dass die Anlage Teil des Brandschutzkonzeptes (Alarmierung bei Brandfall) oder des Sicherheits- und Evakuationskonzeptes (Alarmierung für andere Ereignisse) ist.

Aktueller Stand bezüglich Normen

Welche Richtlinie oder Norm bezüglich der Errichtung einer Anlage zum Tragen kommt, ist auf den ersten Blick nicht ganz klar. Zudem gibt es weitere Normen, die eingehalten werden müssen, wenn es um Gerätezertifizierungen geht. Dies ist allerdings abhängig von der Funktion der Anlage.

Bis im März 2020 kann auf die Anwendernorm SN EN 60849 verwiesen werden; sie unterscheidet nicht genau, für welches Szenario die Anlage verwendet wird. Ab März ändert sich jedoch die Situation in der Schweiz.

Die Nachfolgenorm SN EN 50849 beschreibt nur noch den Einsatz von sogenannten elektroakustischen Notfallwarnsystemen. Zudem wird in der Norm deutlich erwähnt, dass diese nicht den Brandfall alarmieren dürfen. Dabei ist es nicht relevant, ob manuell oder automatisch ab Brandmeldeanlage alarmiert wird. Für die Alarmierung im Brandfall dürfen nur noch Sprachalarmanlagen verwendet werden. Diese müssen zudem die Produktenormen der Reihe EN 54 erfüllen (EN 54-16 Zentralenkomponenten, EN 54-4 Energieversorgungseinrichtungen, EN 54-24 Lautsprecher). Abbildung 2 zeigt einen Überblick über die praktische Anwendung.

Welche Normen sind bei der Alarmierung im Brandfall gültig?

Eine neue Norm, welche europaweit den Einsatz von Sprachalarmanlagen beschreibt, ist nicht vorhanden. Erhältlich ist die EN 54-32, die sich im Stand einer technischen Spezifikation (TS) befindet.

Es ist momentan nicht absehbar, ob und wann die EN 54-32 zu einer gültigen Norm wird. Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass dies in naher Zukunft nicht der Fall sein wird.

Aus diesem Grund wird der Einsatz der Richtlinie für SAA und ENS des Verbandes Schweizer Errichter von Sicherheitsanlagen (SES) empfohlen. Sie beschreibt die Planung, Projektierung, Montage, Inbetriebnahme, Benutzung und Instandhaltung von SAA und ENS. Die Richtlinie geht zudem auf die Forderungen und Bedürfnisse der Schweiz ein. Sie wurde von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) als «Stand-der-Technik-Papier» definiert.

Die SES-Richtlinie befindet sich momentan in Überarbeitung, um der neuen Normsituation gerecht zu werden.

Die Qualität von Sicherheits­systemen ist entscheidend

Das Ziel der SES-Richtlinie ist es, zu gewährleisten, dass Sicherheitssysteme dieser Art mit der nötigen Qualität geplant, gebaut, installiert und abgenommen werden.

Gerade bei der Abnahme gab es in der Vergangenheit oft Unklarheiten. Bislang wurden die Anlagen nicht oder nur sehr rudimentär in einer Abnahme behandelt. Sie wurde zudem oft ohne spezifische Prüfkriterien durchgeführt. Je nachdem, wer die Abnahme geleitet hat, unterschieden sich diese bezüglich Inhalt stark voneinander.

Aus diesem Grund wurde kürzlich vom SES ein Prüf- und Abnahmeprotokoll veröffentlicht. Wird eine SAA oder ein ENS nach den Qualitätsanforderungen des Verbandes errichtet, kann die Anlage mithilfe des Protokolls abgenommen werden und erhält anschliessend das SES-Quality-Approved-Siegel. Dies ist notwendig, um die Qualitätssicherung zu gewährleisten, die Funktionsbereitschaft der Anlagen im Ernstfall zu sichern und den Nachweis für die geltenden Bestimmungen für SAA und ENS zu erbringen. Das Protokoll beinhaltet alle von den Normen vorgegebenen Prüfpunkte.

Ab sofort ist es also für Planer und Errichter einfacher, die Qualität der Systeme prüfen zu lassen. Sie können ohne weiteren Aufwand auf das neue Dokument verweisen oder dies vom Errichter verlangen. Die Qualität von Systemen ist dem SES ein wichtiges Anliegen und der Verband ist überzeugt, dass dank des vereinheitlichten Protokolls diese in einem hohen Standard gewährt wird.

Das Prüf- und Abnahmeprotokoll ist dreisprachig auf der SES-Homepage verfügbar (www.sicher-ses.ch/de/quality-approved/copy_of_sprachalarmierung).

Fazit

Sprachalarmanlagen und elektroakustische Notfallwarnsysteme bergen in der Planung und Projektierung eine grosse Komplexität. Daneben gilt es, den Faktor «Akustik» zu meistern. Die Anforderungen der beiden Systeme sind zudem nicht identisch. Bei der Nutzung im Brandfall sind die Anforderungen deutlich höher.

Durch die Einführung der SES-Richtlinie für SAA und ENS wurden viele Unklarheiten beseitigt. Es wurde ein Dokument geschaffen, das allen Personen, die sich in der Schweiz mit dem Bereich beschäftigen, eine Hilfe sein soll.

Neben einer seriösen Ausführungsplanung der Anlage sind auch ein Konzept sowie die Sicherstellung, dass die Anlage auf das Brandschutz- oder Sicherheitskonzept abgestimmt ist, sehr wichtig. Auch in diesen Punkten schafft die SES-Richtlinie Abhilfe.

Autorenbox

Christian Gschwend, Mitglied der Technischen Arbeitskommission, SES-Verband

Reto Tschümperlin, Obmann der Technischen Arbeitskommission, SES-Verband

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