Sicherheitsmassnahmen bei natürlichen Kältemitteln

Ozonschichtabbauende Kältemittel sowie grössere Kälteanlagen und Wärmepumpen mit in der Luft stabilen Kältemitteln sind grundsätzlich verboten. Als Alternative stehen natürliche Kältemittel zur Verfügung. Ihren ökologischen Vorteilen stehen Brand-, Explosions- und Gesundheitsgefahren gegenüber. Daher sind umfangreiche technische und organisatorische Vorgaben zu beachten.

 

Kältemittel
Eine HFO-Kälteanlage im Inselspital Bern. © Denys Aeberhardt, Inselspital

 

Für grössere Kälteanlagen und Wärmepumpen sind laut Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung natürliche Kältemittel wie Propan, Ammoniak (NH3) oder teilhalogenierte Fluor-Olefine (HFO) mit einer geringen Treibhauswirkung zu verwenden (ChemRRV Anh. 2.10). Diese Kältemittel sind gegenüber den früher verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) umweltfreundlicher, aber gesundheitsgefährdend und brennbar. Mit ihrer zunehmenden Verbreitung wurden zur Erfüllung allgemeiner Schutzziele unlängst zahlreiche Anforderungen aus den Bereichen Umweltschutz, Brandschutz, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz an die Gestaltung der Maschinenräume und den Betrieb solcher Anlagen konkretisiert. Die Regelwerke sind umfangreich und überschneiden sich thematisch. Einige davon werden nachfolgend angesprochen.

Bedeutung von Normen 

Dem Arbeitsgesetz unterstellte Betriebe müssen zur Verhütung von Berufsunfällen und -krankheiten alle Schutzmassnahmen treffen, die anerkannten Regeln entsprechen (ArG Art. 6). Anerkannte Regeln sind dokumentierte, allgemein akzeptierte, in der Praxis erprobte und bewährte Bestimmungen bezüglich Technik, Organisation und Verhalten, die auf einer risikoorientierten Betrachtungsweise basieren. Normen sind solche anerkannten Regeln, ebenso Richtlinien der Ekas oder Checklisten der Suva. Die SN EN 378 Kälteanlagen und Wärmepumpen konkretisiert die sicherheitstechnischen und umweltrelevanten Anforderungen und ist als schweizerische Norm bindend.

Was sagt die Störfallverordnung?

Die Bevölkerung und die Umwelt sollen vor schweren Schädigungen infolge von Störfällen geschützt werden. Betriebe, welche die Mengenschwellen für Stoffe überschreiten, sind der Störfallverordnung (StFV) unterstellt. Für Ammoniak liegt diese Schwelle bei 2000 Kilogramm. Die Vollzugsbehörde kann Betriebe ohne Überschreitung der Mengenschwelle im Einzelfall der Störfallverordnung unterstellen, wenn aufgrund des Gefahrenpotenzials die Bevölkerung oder die Umwelt schwer geschädigt werden kann (StFV Art. 1 Abs. 3). Für die Beurteilung ist ein realistisches Freisetzungs- und Ausbreitungsszenario festzulegen. Liegt beispielsweise die Freisetzungsrate für Ammoniak über 1 kg/s und halten sich im Freien im Gefährdungsbereich mehr als 35 Personen auf, wird eine Unterstellung der Anlage unter die StFV empfohlen.

Brandschutzmassnahmen

Die Vorgaben in der EN 378 konkretisieren auch Massnahmen des Brandschutzes. Maschinenräume und ihre Türen müssen beispielsweise eine Feuerbeständigkeit von mindestens einer Stunde haben und dicht sein. Weil Maschinenräume mit brennbaren Kältemitteln eine direkt ins Freie führende Tür aufweisen müssen, sind neue Anlagen in Untergeschossen schwierig zu realisieren.

In gefangenen Maschinenräumen können Anlagen nicht durch solche mit brennbaren Kältemitteln ersetzt werden. Obwohl rechtmässig erstellte Bauten und Anlagen in ihrem Bestand geschützt sind, sind sie dann verhältnismässig anzupassen, wenn Veränderungen oder Erweiterungen vorgenommen werden oder die Gefahr für Personen besonders gross ist (VKF BN Art. 2).

Der Arbeitgeber ist weiter verpflichtet, alle Massnahmen zu treffen, die nach dem Stand der Technik anwendbar sind (ArG Art. 6). Mit dem Fortschritt der Technik sind auch die Schutzmassnahmen anzupassen, insbesondere wenn sie sich im Laufe der Zeit als ungenügend erweisen. Beim Ersatz bestehender Anlagen sind daher die aktuellen Anforderungen trotz Bestandesschutz zu berücksichtigen.

Explosionsrisiken

In der EN 378 werden die Kältemittel Propan, Ammoniak oder HFO als brennbar eingestuft. Maschinenräume sind in der Folge in explosionsgefährdete Bereiche einzuteilen, für welche Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu treffen sind. Für jeden einzelnen Fall sind im Explosionsschutzkonzept geeignete Massnahmen zu erarbeiten und im Explosionsschutzdokument festzuhalten (Suva-Merkblatt 2153). Anlagen dürfen nur in Betrieb genommen werden, wenn die sichere Verwendung im Explosionsschutzdokument nachgewiesen ist. Das Explosionsschutzdokument legt unter anderem dar,

  • dass die Explosionsrisiken ermittelt und einer Bewertung unterzogen worden sind; − dass angemessene Massnahmen getroffen werden;
  • welche Bereiche in Zonen eingeteilt wurden;
  • dass Vorkehrungen für die sichere Benutzung von Arbeitsmitteln getroffen worden sind.

Besondere Massnahmen sind festzulegen und in einem Erlaubnisschein zu dokumentieren, wenn in Maschinenräumen Heissarbeiten durchgeführt oder bereits befüllte Anlagen installiert werden.

Planung und Realisierung von Anlagen

Entsprechend der Vielzahl der Anforderungen sind im Bewilligungsverfahren für Anlagen zahlreiche Fachstellen involviert. Der Explosions- und Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer ist im Arbeitsrecht geregelt und fällt daher in die Zuständigkeit der Arbeitsinspektorate und nicht der Brandschutzbehörde. Das Baubewilligungsverfahren garantiert die Einhaltung sämtlicher Vorschriften nicht. Für die Umsetzung der Explosionsschutzmassnahmen ist der Arbeitgeber verantwortlich. Auch wenn die Anlage nicht der Störfallvorsorge oder dem Plangenehmigungsverfahren unterstellt ist und keine systematische Prüfung durch Behörden erfolgt, wird der Anlageneigentümer im eigenen Interesse die Einhaltung der Vorgaben beurteilen, denn er haftet für Schäden, die durch Mängel entstanden sind (OR Art. 58). Wer wegen fahrlässiger Missachtung von Vorgaben eine Explosion verursacht oder Personen schädigt, kann ausserdem mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden (StGB Art. 117, 125, 223).

Gefährdungsbeurteilung

Die von Kältemitteln ausgehende mögliche Gefährdung von Personen, Sachen und der Umwelt sind auf ein Mindestmass zu reduzieren. Kältemittel dürfen somit nicht in benachbarte Räume oder Entwässerungssysteme gelangen, und entweichendes Gas muss sicher nach aussen abgeführt werden. Für die Beurteilung der Gefahren sind ungünstige Szenarien zu untersuchen, wie die kontinuierliche geringfügige Freisetzung durch kleine Undichtheiten oder die plötzliche und vollständige Freisetzung des Kältemittels durch Versagen. Es ist zu prüfen, ob durch die Freisetzung eine Explosionsgefahr oder eine Gesundheitsgefährdung gegeben ist. Der Bereich kann sich über mehr als hundert Meter erstrecken. Grundlage der Beurteilung ist nicht nur die tatsächliche, sondern auch die zulässige Nutzung der Umgebung. Ist die Sicherheit nicht gewährleistet, kann durch Optimierung der Anlage, Erhöhung der Luftmenge der Notlüftung oder Änderung der Austrittsstelle die Sicherheit verbessert werden.

Notfallmassnahmen

Sollte Kältemittel entweichen, müssen Detektoren Alarm auslösen und die mechanische Notlüftung in Gang setzen. Wird zehn Prozent der unteren Explosionsgrenze überschritten, sind selbsttätig alle nicht ausreichend gegen Explosion geschützten elektrischen Installationen im Maschinenraum stromlos zu schalten. Die EN 378, die Ekas-Richtlinie 6507 und das Suva-Merkblatt 2153 geben unterschiedliche Bereiche für die Alarmwerte vor. Nach den Vorgaben der Ekas-Richtlinie 6507 soll beim Austritt von Kältemitteln ein Gasaustritt ins Freie verhindert werden; im Gegensatz dazu ist laut EN 378 das Kältemittel ins Freie abzuleiten. Da bei einer plötzlichen und vollständigen Freisetzung des Kältemittels eine Druckerhöhung zu erwarten ist, bei welcher das Gas nicht im Maschinenraum zurückgehalten werden kann, ist die kontrollierte und gefahrlose Freisetzung zu bevorzugen. Neben Alarmierungseinrichtungen für Rettungskräfte müssen je nach Art des verwendeten Kältemittels auch eine Augen- und Ganzkörperdusche und weiteres Erste-Hilfe-Material zur Verfügung stehen. Die erforderlichen Notfallmassnahmen müssen eindeutig beschrieben sein und die betroffenen Mitarbeitenden sind zu instruieren.

Fazit

Die Anforderungen und Regelungen für Anlagen mit brennbaren Kältemitteln sind umfangreich. Mit der Publikation der revidierten EN 378 im Jahr 2017 wurden Massnahmen zur Realisierung bestehender Schutzziele konkretisiert. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Vorgaben oft nicht rechtzeitig berücksichtigt werden. Ohne eine Ausbreitungsmodellierung und Gefährdungsbeurteilung kann die Sicherheit nicht gewährleistet werden. Je früher die Anforderungen in die Planung einfliessen, desto einfacher können die erforderlichen Massnahmen umgesetzt werden. Der Einsatz natürlicher Kältemittel bedingt in jedem Fall aufwendige technische und organisatorische Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit.

Gabriel Caduff

Dr. sc. techn., dipl. Betr.- u. Prod.-Ing. ETH, Sicherheitsingenieur EKAS Inhaber Tensor Ingenius GmbH

 

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